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Das Becken wurde ihm zu klein

Montag, 15. April 2024 / Paris 2024

Weil das Becken zu klein wurde, wechselte Jan Hercog einst von der Bahn ins Freiwasser. Vor wenigen Wochen hat der 26-Jährige mit seinem 16. Platz über die 10-Kilometer-Distanz bei den Weltmeisterschaften in Doha Geschichte geschrieben.

Der Steirer qualifizierte sich als erster österreichischer Freiwasserschwimmer für Olympia. Für Paris hat sich der Spätstarter einiges vorgenommen und schließt auch nicht aus, im Kampf um die Medaillen ein Wörtchen mitreden zu können.

Jan, herzlichen Glückwunsch zur Olympia-Qualifikation. Mittlerweile dürftest du realisiert haben, was du erreicht hast, oder?
Jan Hercog: Danke vielmals. Ich bin noch immer mega-happy, habe die letzten Jahre alles dafür gegeben, kaum Pausen gemacht und bin zweimal für bessere Trainingsbedingungen umgezogen. Die harte Arbeit und der Einsatz haben sich ausgezahlt. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich bei den kleineren Nachwuchsmeisterschaften „herumgeschwommen“ bin. Und jetzt werde ich beim größten Wettkampf, den es überhaupt gibt, dabei sein. Mein kleines „Ich“ wäre ausgerastet.

Erst zwei Tage nach deinem WM-Run wurde der Quotenplatz offiziell bestätigt. Wo warst du, als du die Nachricht bekommen hast?
Hercog: Ich war noch in Doha und am Rückweg vom Training. In diesem großen Bus waren nur mein Trainer Stefan, der Fahrer und ich. Die Freude war groß, es sind Tränen geflossen. Wenn ich daran denke, bekomme ich heute noch feuchte Augen.

Der emotionalste Moment deiner Karriere?
Hercog: Definitiv. Auch für meine Eltern, die ebenfalls in Katar dabei waren und mit denen ich den Moment dann auch noch teilen und feiern konnte. Sie haben mich seit dem Beginn meiner Schwimm-Karriere immer unterstützt. Ich müsste mir eigentlich einen Riesen-Sticker mit der Aufschrift „sponsored by Mama, Papa und Granny“ auf die Brust kleben.

Das Leben als Profi-Freiwasserschwimmer ist wahrscheinlich nicht immer leicht.
Hercog: Viel Training und dazu mein Studium verlangen viel Zeit und Organisationsgeschick. Manchmal wird es eng, die Miete aufzubringen. Ich bin auf Sponsoren angewiesen. Leider kommt es trotz Olympia-Qualifikation immer noch häufig vor, dass ich auf meine Anfragen nicht einmal eine Antwort bekomme. Falls mich also jemand auf meiner „Road to Paris“ unterstützen möchte, freue ich mich auf eine Kontaktaufnahme über meine Website.

 

"Es ist im Grunde wie eine zweistündige Schlägerei"

Jan Hercog, Distanzschwimmer

Wie würdest du dich als Athlet beschreiben? Ich habe mir sagen lassen, dass du anfangs nicht das größte Talent warst.
Hercog: Das stimmt. Meine Leistungskurve ging erst nach oben, als ich mit 19 oder 20 Jahren nach Deutschland gegangen bin und von deutlich besseren Trainingsmöglichkeiten profitiert habe. Mir wird oft nachgesagt, dass ich nicht nur eine, sondern eher zwei Extrameilen gehe. Ich bin wohl ein „Arbeitstier“ und hoffe, dass ich, was Durchhaltevermögen und Selbstvertrauen betrifft, dem österreichischen Nachwuchs ein Vorbild sein kann.

Wie bist du zum Freiwasserschwimmen gekommen?
Hercog: Ich war schon immer auf den längeren Strecken unterwegs, irgendwann wurde das Becken zu klein. Durch das Training mit Matthias Schweinzer, der – neben Markus Rogan – eines meiner Vorbilder war, habe ich mich irgendwann einfach ins Freiwasser gewagt. 2018, bei meinem ersten Europacup, bin ich gnadenlos gescheitert, kam völlig ausgelaugt mit acht Minuten Rückstand als 80. ins Ziel. Da war mir trotz der schlechten Leistung klar: Das will ich machen! Das ist mein Sport!

Ist Freiwasserschwimmen nicht auch unfassbar brutal? Es ist ja nicht so, dass jeder seine Bahnen schwimmt.
Hercog: Es ist im Grunde wie eine zweistündige Schlägerei. Gleich bei meinem ersten Weltcup habe ich mir die Nase gebrochen – eine „schöne“ Begrüßung. Erst mit der Erfahrung lernt man, den Schlägen und Tritten auszuweichen.

 

Wie viel Wasser schluckst du während eines Rennens?
Hercog: Sagen wir es so: Am Tag nach dem Rennen spielt die Verdauung ein wenig verrückt.

Stichwort: Wasserqualität. In Paris wird in der Seine geschwommen, was zu Kritik geführt hat – wegen der Strömung und wegen des hohen Kolibakterien-Anteils.
Hercog: Wir waren schon bei Europacup-Bewerben in Serbien oder Frankreich, wo auf Ruderstrecken geschwommen wurde. Da sind neben uns die toten Fische getrieben. Wenn geschwommen wird, dann schwimme ich. Dennoch hoffe ich, dass ich gesund zurückkomme. Zudem haben wir bei uns am Olympia-Stützpunkt einen Strömungskanal, das ist sicher kein Nachteil. In der Seine zu schwimmen, wird einfach eine geile Sache, weil rundherum viel los sein wird und die Zuschauer laut sein werden. Und: Wer würde nicht gerne vor dem Eiffelturm schwimmen?

Was nimmst du dir vor? Gibt es eine Zielsetzung?
Hercog: Ich werde mich keinesfalls unter Wert verkaufen. Ich trainiere nicht 40 Stunden pro Woche, um als Letzter reinzukommen, sondern für eine Medaille. Das mag unrealistisch klingen, aber wir haben den Abstand zur Weltspitze innerhalb eines Jahres von drei Minuten auf 30 Sekunden verringert. Die Frage ist: Was schaffen wir im nächsten halben Jahr?

Wie lautet die Taktik?
Hercog: Durchkommen, wie in jedem Rennen. Wann immer mir das gelungen ist, waren meine Platzierungen auch zufriedenstellend. Vereinfacht gesagt, geht es darum, die ersten sechs Kilometer nicht aufzufallen, im Sog mitzuschwimmen, Kraft zu sparen, anschließend das Tempo zu steigern und die finalen 1,5 Kilometer voll zu attackieren.

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Key Facts Paris 2024

Zeitraum26.07.2024 - 11.08.2024
Sportarten32
Bewerbe329
Nationen206
Athlet:innen aus Ö.81 (W: 37, M: 44)
Athlet:innen gesamt11.119

Du wirst erstmals auch Teil des Olympic Team Austria sein. Hat dir schon jemand erzählt, was dich im Olympischen Dorf erwartet?
Hercog: Thomas Springer (Triathlon; Anm.) hat mir von seinen Erfahrungen erzählt. Die Geschichten zu hören, war schon unglaublich. Am meisten freue ich mich auf das Zusammengehörigkeitsgefühl im Olympic Team Austria, dass die Lagen-Staffel mit einigen meiner besten Freunde die Qualifikation ebenfalls geschafft hat und dass meine Familie und meine Verlobte in Paris dabei sein können. Und nachdem ich Basketball-Fan bin, geht sich ja vielleicht ein Autogramm von Luca Dončić oder Anthony Edwards aus.

Weitere Geschichten und Interviews über die Olympischen Spiele Paris 2024 und das Olympic Team Austria findest du im Olympia Report gleich hier als E-Paper:

Olympia Report Ausgabe 01/2024

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