| | Das harte Los der Zuschauer | Zuschauermassen in der Antike Es gehört zu einer der modernen Legenden, daß die antiken Olympischen Spiele frei von Rummel gewesen wären. Das Gegenteil war der Fall, speziell während der Blütezeit der Spiele, als laut Schätzungen bis zu 40.000 Zuschauer angelockt wurden. Nicht wenige Poleis schickten offizielle Festgesandtschaften, sogenannte Theoriai, die vornehmlich aus angesehenen und einflußreichen Bürgern der betreffenden Städte bestanden. Olympia auch als Bühne der Prominenz: Sehen und gesehen werden - dieses Motto galt schon damals. Daneben reiste aber eine große Zahl von Menschen ganz privat nach Olympia. Sogar "Barbaren", wie Nichtgriechen genannt wurden, und vermutlich auch Sklaven - jeweils von der Teilnahme an den Wettkämpfen ausgeschlossen - durften als Zaungäste beiwohnen. Daß dies nur relativ wenigen Sklaven möglich war, nämlich nur jenen, die als begleitendes Bedienungspersonal mitreisten, versteht sich aufgrund ihrer sozialen Stellung von selbst.
Unter den Zehntausenden Gästen waren aber nicht nur Zuschauer, sondern auch Verkäufer von Lebensmitteln und Getränken und von Geschirr, das die manchmal von weit her angereisten Besucher hier kauften - und nach Gebrauch einfach in die Abfallgruben warfen. Archäologische Funde belegen diese recht sorglose Abfallentsorgung der Antike. Weiters kamen Händler von Souvenirs, kleinen Weihegeschenken und Blumen, Schausteller, Sänger, Tänzer, Redner und Tipgeber für die Wetten, die hier abgeschlossen wurden. Und es kamen auch Zuhälter mit ihren Mädchen. | | |
| Vom Treiben der Massen, die nach Olympia strömten, wissen wir relativ wenig. Nicht nur die Geschichtsschreiber blendeten die Zuschauer weitgehend aus ihren Darstellungen aus, sondern auch die bildende Kunst. "Die antiken Künstler hatten einfach kein Interesse daran. Sie konzentrierten sich ganz auf die Wettkämpfer, die ja als Helden im Mittelpunkt standen", begründet Univ.-Prof. Dr. Heribert Aigner, Vorstand des Instituts für Alte Geschichte und Altertumskunde der Universität Graz, warum es aus Olympia keinerlei Darstellungen gibt, auf denen Besucher zu sehen sind. | | |
| Hitze, Gestank und Fliegen. Eines darf als sicher angenommen werden: Es war kein reines Vergnügen, damals Zuschauer bei den Olympischen Spielen gewesen zu sein. Dies bezeugt am besten eine drohende Bemerkung eines Gutsbesitzers, die uns Älian (2./3. Jahrhundert n. Chr.) überliefert: "Ein Mann aus Chios sagte zu seinem Sklaven, über den er erzürnt war: Dich stecke ich nicht in die Mühle, sondern ich nehme dich mit nach Olympia!"
Dort mußten die Zuschauer durchwegs stehen - auf Erdwällen, die rings um die Laufbahn aufgeschüttet waren. Dazu kam, daß im Stadion keine Kopfbedeckungen getragen werden durften. Zur drückenden Hitze gesellte sich ein bestialischer Gestank. Nicht allein mangels sanitärer Anlagen. Das Fleisch der Tieropfer, auf den insgesamt nicht weniger als 70 Altären dargebracht, durfte in der Regel nicht gegessen werden und verfaulte in der Hitze. Logische Folge: eine unvorstellbare Fliegenplage.
Beim Opferfest mit der Hekatombe der eleischen Rinder drängten sich Priester, Zuschauer und Athleten allesamt in der Altis zusammen - auf einer Fläche von kaum mehr als 1000 Quadratmetern. Die monotone Musik, die Gesänge, das Brüllen der Tiere, der Geruch des Blutes, die beißenden Rauchwolken sowie der ätzende Gestank von Schweiß, Kot und verbranntem Haar versetzten die Menschen in Ekstase - wenn ihnen nicht ganz einfach schlecht wurde. | |
| Strapaziöse Anreise. Wie die vielen tausend Menschen nach Olympia gekommen waren, ist nirgends beschrieben. Vermutlich reisten die meisten mittels Schiffen auf dem Seeweg bis an die (heute) 18 Kilometer entfernte Küste und gingen von dort zu Fuß oder konnten vielleicht noch einen Teil des Weges flußaufwärts fahren. Ein Straßennetz, das dem römischen vergleichbar gewesen wäre, gab es im antiken Griechenland nicht.
Wer also diese Reise bei hochsommerlicher Hitze zu Fuß antrat, mußte große Anstrengungen auf sich nehmen. Doch viele Griechen ließen sich offensichtlich weder durch die Entfernung noch durch die Strapazen der Reise abhalten. Der Wunsch, wenigstens einmal im Leben dem Schauspiel Olympische Spiele beizuwohnen, war Motivation genug.
Verträumte Landschaft. Noch heute ist das in der verträumten Landschaft Elis liegende Olympia nicht leicht zu erreichen. Die Zeit scheint hier stehengeblieben zu sein: Es gibt nur Dörfer und kleinere Ortschaften, kaum Straßen und nur ab und zu ein paar kleine Hotels. Aber keine Städte. Auch Olympia ist keine Stadt - und war auch nie eine. Schon deswegen wäre es denkbar ungeeignet dafür, hier jemals wieder Olympische Spiele stattfinden zu lassen. Nostalgiker schlagen ja von Zeit zu Zeit immer wieder vor, die Spiele ständig, quasi auf ewige Zeiten, nach Olympia zu verlegen.
Der Bau von modernen Sportarenen, riesigen Hotels und gigantischen Straßen sowie schließlich der Ansturm von, sagen wir, einer halben Million Besuchern würde die antiken Stätten und damit die jahrhundertelange Arbeit der Archäologen aufs äußerste gefährden. Ja, man kann ruhig sagen: Dies wäre das Ende des antiken Olympia und seiner Idee von Freiheit und politischer Unabhängigkeit. Denn gerade weil sich das antike Elis nie zu einem mächtigen, politisch einflußreichen Staat entwickelt hatte, konnten die Spiele hier über einen so langen Zeitraum regelmäßig veranstaltet werden. | | |
| Kaum Unterkünfte, kaum Trinkwasser. Weil Olympia keine Stadt war, gab es für die Besuchermassen auch keine Unterkünfte. Nur für wenige vornehme Bürger war Platz in Gästehäusern. Für die anderen wurden in der Umgebung rund um das Heiligtum und seinen berühmten Heiligen Hain, mitten in der prallen Sonne gelegen, Zelte aufgeschlagen. Viele schliefen unter freiem Himmel.
Die hygienischen Verhältnisse müssen katastrophal gewesen sein. Schwierige Probleme war schon die Wasserversorgung auf. Die Flüsse Alpheios und Kladeos waren aufgrund der großen Hitze zu dieser Jahreszeit fast ausgetrocknet. Es mußten immer wieder neue Brunnen gegraben werden. Diese versiegten offenbar sehr schnell und wurden dann eben mit allerlei Abfall aufgefüllt - ein Glücksfall für die Archäologen. Angesichts der Wasserknappheit waren die Bademöglichkeiten für die Zuschauer natürlich nicht vorhanden. Dieses Privileg war den Athleten vorbehalten, für die eine großzügige Badeanlage bereitstand.
Erst in römischer Zeit wurde die Versorgung mit Trinkwasser gelöst. Um 160 n. Chr. ließ der schwerreiche Herodes Atticus, Athener Politiker und Freund des Philosophenkaisers Marc Aurel, aus eigenen Mitteln das Nymphäum bauen: eine heute noch gut erkennbare, wunderschöne Schauwand mit Wasserspielen, halbkreisförmig angelegt, die den Endpunkt eines Aquädukts darstellte. Damit wurde das kühle Naß aus den Bergen nach Olympia geleitet und mittels Kanalsystem über die ganze Anlage verteilt.
Nach Beendigung der olympischen Festtage zogen die Zehntausenden Besucher wieder ab, und die Eleer hatten viel Zeit, das Heiligtum und den Heiligen Hain, die Sportanlagen und die Umgebung wieder in Ordnung zu bringen. Bis nach vier Jahren, nach einer Olympiade, der ganze Rummel von neuem losging. | | |
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