Zurück in die Zukunft
Wer Österreichs jüngste Fechterfolge nachsehen will, muss im Archiv schon weiter zurückblättern. Denn die goldenen Zeiten liegen bereits ein großes Stück zurück. Den letzten Europameister-Titel gab es 2004 (Christoph Marik im Degen), den letzten Weltmeister-Titel 1963 (Roland Losert im Degen) und der letzte Olympiasieg datiert überhaupt von 1932 (Ellen Müller-Preis im Florett). Damit sich diese Durststrecke nicht noch länger fortsetzt, hat der Österreichische Fechtverband im März Sven Ressel verpflichtet.
Der Deutsche, der bis Jänner 2023 den Sportdirektor-Posten in seinem Heimatland bekleidete, soll Österreichs Fechter:innen in derselben Funktion in eine glorreiche Zukunft führen. „Es gibt in Österreich gute Ansätze, gute Fechter:innen und Potenziale, die einfach nur aufgeweckt werden müssen. Wenn wir das strategisch richtig angehen, ist vieles möglich“, glaubt Ressel an künftige Erfolge. Und mit künftigen Erfolgen meint der 55-Jährige mittel- bis langfristige Erfolge.
Ziel: 24 Athlet:innen mit Olympia-Chance
Denn Ressels Planungen und Visionen reichen zumindest bis zu den Olympischen Spielen 2032. „Es ist tatsächlich so, dass wir die Ziele auf die Olympischen Spiele 2028 und 2032 ausgelegt haben. 2028 wollen wir schon aussichtsreiche Kandidat:innen bei Olympia dabei haben.“
Langfristig will Ressel einen deutlich größeren Pool an Top-Fechter:innen aufbauen. „Unser Ziel ist, sechs Athlet:innen pro Disziplin, also Degen und Florett, in den Pool zu bekommen und daraus die Qualifikant:innen herauszupicken. Also insgesamt 24 Athlet:innen mit Olympia-Chance zu haben.“
Um diesen ehrgeizigen Plan in die Tat umsetzen zu können, muss Ressel einiges umkrempeln. Zwar behutsam, aber doch konsequent. „Es fehlt die sportliche Steuerung des Spitzenverbands. Das ist ein Thema, das ich mehr etablieren muss. In Deutschland besitzt der Sportdirektor die richtige Kompetenz und das muss sich in Österreich auch in diese Richtung entwickeln. Ich möchte dahingehend nicht mit der Tür ins Haus fallen, sondern mit den Landesverbänden einen gemeinsamen Weg gehen. Es ist nicht einfach, aber ich stoße auf offene Ohren. Wir werden allerdings nicht alles ändern können.“
Medaille vor 2028 unwahrscheinlich
Auch beim Kadersystem und der Unterstützung durch das Bundesheer sieht Ressel im Vergleich zu Deutschland noch Nachholbedarf. „Die Leistungssport-Strukturen sind in Deutschland etwas geordneter. In Österreich fehlt zum Beispiel so ein Kadersystem. Das ist ein Bereich, wo ich ansetzen möchte. Deutschland hat auch ganz andere Möglichkeiten, was die Bundeswehr betrifft. Da gibt es 24 Plätze für Fechten, in Österreich ist das maximal ein Viertel.“
Letztlich gehe es Ressel darum, „den besten Athlet:innen in Österreich eine gute Basis zu bieten, damit sie den Leistungssport ausführen können. Wir müssen das Thema duale Karriere mitberücksichtigen, also beispielsweise Studium und Fechtsport in Einklang bringen. Fechten benötigt viel Zeit, viel Umfang, weil es gleichzeitig eine sehr technische und athletische Sportart ist. Da muss man schon viel trainieren, um mit der Weltspitze mithalten zu können.“
Großes Highlight in Graz
Um in dieser wieder mitzuspielen, brauche es laut Ressel aber noch etwas Zeit. „Es wäre überraschend, wenn es vor 2028 passieren würde. Aber ich kann mir vorstellen, dass wir Richtung 2028 überraschen und auch mal eine Medaille holen können. Es gibt gute Ansätze und Ergebnisse, die müssen wir allerdings auch regelmäßig bestätigen. Unser Ziel muss sein, das dauerhaft abliefern zu können.“
Abliefern wollen Österreichs Fechter:innen jedenfalls bei den Sport Austria Finals in Graz. Nach einer einjährigen Absenz gibt es in diesem Jahr in der Steiermark wieder heiße Duelle zu bewundern. „Ich freue mich total auf dieses Event. In Deutschland gibt es mit den German Finals ein ähnliches Event und das war auch immer eine medial hervorragende Möglichkeit, um Fechten zu präsentieren. Das sehe ich auch bei den Sport Austria Finals. Wir werden unsere besten Fechter:innen am Start haben und erhoffe mir, gute, harte und faire Gefechte. Wir werden auf der Finalbahn auch Video-Kampfrichter, also den Videobeweis, einsetzen und sicher einiges geboten bekommen.“