Sie klettern, um ihr Leben in die Hand zu nehmen.

Auf der 200-m-Felswand am Rande der Favela Rocinha haben sie ihren ersten Gurt angelegt, die wichtigsten Knoten gelernt und sind langsam, Griff für Griff, in die Wand eingestiegen.

Klettern hilft den Kindern und Jugendlichen in Rio bei der Suche nach dem Lebenssinn. Je fitter sie sind, desto mehr steigen ihre Chancen einer erfolgreichen Berufslaufbahn.

Paco da Acucar, Corcovado, Morro da Urca… die schönsten Gipfel von Rio werden Jahr für Jahr nicht nur von Millionen Touristen erobert, sondern auch von den Cariocas, genauer gesagt von der einheimischen Kletter-Community.

„Die schwankt so zwischen 5.000 und 8.000“, erzählt Profi-Instruktor Andrew Lanz. Der 35-jährige Amerikaner lebt seit 18 Jahren in Rio.

Wer mit Andrew klettern will, der muss zahlen. Mit einer Ausnahme: Im Centro de  Escalada Urbana versucht der Brasil-Americano Kids aus den Favelas zum Sport, genauer zum Klettern zu bringen.

„Klettern war hier fast 100 Jahre lang der Elite vorbehalten. Dann entstand irgendwann die Idee, auch die Kids in Rocinha anzusprechen. Gleich hinter dem größten Armenviertel der Stadt türmt sich eine gut 200 m hohe Felswand gen Himmel – mit Kletterrouten in allen Schwierigkeitsgraden.

„Warum sollen sich also nicht auch die Kids an der Wand versuchen“, dachte sich Andrew Lanz, besorgte die nötige Ausrüstung wie Helm, Schuhmaterial, Seile.

Einmal die Woche, je nach Wetter und Gemütslage der Kids, trifft man sich zum Kletterunterricht. Der Zuspruch ist gut, aber Andrew träumte von mehr. Jetzt bekommt er die Chance.

Die Kletterwand der Tirol-Werbung im Einkaufszentrum Rio Sul wird nach den Olympischen Spielen der Escalada Urbana von Lanz übergeben.

Wo er sie aufstellt, das steht noch nicht fest. „Da gibt’s einige Varianten. Aber am liebsten in einer Favela, wo’s überhaupt kein Freizeitangebot für Kids gibt, wahrscheinlich im Norden von Rio.“

Mit der 13 Meter hohen Kletterwand wird tägliches Kletter-Training für Kinder und Jugendliche in Rio zur Realität.

„Damit werden wir bald Hunderte Interessierte haben, vielleicht auch Tausende – das ist ein neuer Qualitätsschritt“, strahlt Andrew.

Hinter ihm steht ein Dutzend Kids aus Rocinha, die mit leuchtenden Augen vor der Kletterwand stehen und darauf warten, endlich loslegen zu dürfen. „Für die Kids ist heute Weihnachten“, sagt Andrew und auch seine Augen glänzen…